Aus der Distanz präsentierten sich die Fahrgassen in der Anlage von Ramon Staubli noch ganz unauffällig. Bei genauerem Betrachten waren aber die Spuren der diesjährigen grossen Niederschlagsmengen unübersehbar. «Ich versuchte zwar, bei den Pflanzenschutzbehandlungen jeweils etwas versetzt zu fahren, dennoch waren Spurrinnen in diesem aussergewöhnlichen Obstjahr unvermeidlich», so der Aargauer Obstbauer. Auf dem Früchtehof von Ramon Staubli fand die diesjährige Steinobst-Begehung des Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg statt.
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Hagelnetz zu spät erstellt
Staubli führt seinen Hof seit 2015 nach den Bio-Suisse-Richtlinien. Seine 2,5 ha grosse Obstanlage erstellte er in mehreren Schritten. 2018 pflanzte er erst Zwetschgen, 2020 kamen noch Kirschen dazu. Das Hagelschutznetz stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht. «Das erwies sich nachträglich als Fehler, 2021 zog über unser Gebiet ein starker Hagelzug, der vor allem bei den jungen Kirschbäumen grosse Schäden verursachte», erklärte Ramon Staubli den rund 30 interessierten Obstbauern und Obstfachleuten.
«Ein engmaschiges Netz würde die Durchlüftung zu stark einschränken.»
Bio-Bauer Ramon Staubli aus Muri.
Die Jungbäume wurden trotz der Schäden nicht ersetzt, sondern stark zurückgeschnitten. Mittlerweile hätten sich diese fast wieder komplett erholt. «Ein bis zwei Jahre haben die Bäume aber dadurch verloren», so Staubli weiter. Im folgenden Jahr wurde das Hagelschutznetz dann erstellt, dazu wurden noch einige Reihen Äpfel und weitere Zwetschgen- und Kirschbäume gepflanzt.
Keine Einnetzung gegen KEF
Weiterbildung
Andreas Klöppel und Bertrand Gentizon führten durch die Steinobst-Begehung des LZ Liebegg. Die Zeit nach der Ernte bis zum Blattfall sollte bei den Kirschen genutzt werden, um die Bäume und Böden leistungsfähig zu halten, damit die Anlagen im nächsten Frühjahr topfit starten würden, so die Obstspezialisten. Die aktuell stattfindende Blütenknospenbildung benötige viel Lichtein- fall bis zu den untersten Ästen. Die Blätter müssten bis zum Blattfall gesund bleiben, damit die Energie- und Nährstoffversorgung der Wurzeln und Blütenknospen sichergestellt bleibe.
Weitere Informationen: www.liebegg.ch/de/dokumente-betriebsheft.html
Bisher verzichtete Ramon Staubli auf eine vollständige seitliche Einnetzung der Anlage, dies sei im kommenden Jahr geplant. Dabei werde aber nicht ein sehr feinmaschiges, sondern ein normales Hagelschutznetz montiert. Der Grund für die Einnetzung sei nämlich nicht die Kirschessigfliege (KEF), sondern der Vogelfrass. «Die Einnetzung mit einem engmaschigen Netz würde die Durchlüftung der Anlage zu stark einschränken und so zu einer höheren Luftfeuchtigkeit führen. Zudem ist die KEF so klein, dass sie immer einen Weg in die Anlage finden wird», so der Obstbauspezialist. Um die KEF möglichst in Schach zu halten, setzt er beim Steinobst neben der zweimaligen Behandlung mit Audienz auf eine hohe Feldhygiene während der Ernte, golfrasenkurzes Gras in den Fahrgassen und auf eine möglichst luftdurchströmte und damit trockene Anlage. «Ich habe sicher auch das Glück, dass sich in der Umgebung meiner Anlage kaum ungenutzte Hochstammbäume befinden.»
Die Kirschbäume in Ramon Staublis Anlage wurden nach dem Drapeau-System erzogen. Bereits Anfang August wurde maschinell der Sommerschnitt gemacht. Entsprechend gut durchlüftet und besonnt präsentierten sich die Bäume. Das begünstige die jetzt stattfindende Blütenknospenbildung. «In der ganzen Anlage liegt der Reihenabstand bei 3,5 Metern. Das ist bei den Kirschen schon etwas sportlich. Dafür bin ich zukünftig flexibel, wenn ich eine Obstsorte ersetzen müsste.» Im Gegensatz zu den eher schmalen Reihenabständen sei die Höhe des Witterungsschutzes mit 4,25 Meter ziemlich hoch. Das könne dazu führen, dass bei intensivem Regen, trotz des beim Steinobst montierten Regendaches, die unteren Baumregionen teilweise nass würden.
Homöopathie im Obstbau
Anders als beim Steinobst kann der Bio-Obstproduzent beim Kernobst fast komplett auf Insektizide verzichten. «In den letzten drei Jahren gab es eine Pflanzenschutzmittel-Behandlung gegen Blattläuse, ansonsten kam ich mit dem Einsatz von homöopathischen Mitteln gut über die Runden.» Herausfordernd sei bei der Bio-Apfelproduktion hingegen der Druck durch Pilzkrankheiten. In der Anlage von Ramon Staubli stehen anfällige, aber vom Markt stark nachgefragte Sorten wie Gala. «Bei der Schorfbekämpfung betreibe ich sicher eine intensive Pflanzenschutz-Strategie, entsprechend häufig musste in diesem nassen Jahr auch gefahren werden.»
Sanieren mit Parapflug
Das Befahren bei Nässe hinterliess die bereits erwähnten Spurrinnen in den Fahrgassen. Dass es in diesem Jahr in vielen Anlagen unschöne Bilder zu sehen gab, erkannte auch Obstbaudienstleister Manuel Estermann aus dem luzernischen Rain. Aus diesem Grund investierte er in einen Parapflug zur Fahrgassensanierung. Dieses aus dem Südtirol stammende Gerät konnte an der Steinobst-Begehung gleich im Einsatz beobachtet werden. Zudem führte Estermann auch mehrere Geräte zur herbizidfreien Unterstockpflege vor.
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Herbizidfreie Unterstockpflege
Die Unterstockpflege hat Ramon Staubli vollständig an Obstbaudienstleister Manuel Estermann ausgelagert. «Die Arbeit mit diesen Geräten ist anspruchsvoll, das überlässt man besser dem Profi», betonte Ramon Staubli. Vor allem bei Jungbäumen habe das Krümler-Gerät grosse Vorteile. So würden Nährstoffe mobilisiert und die Konkurrenz durch Gräser verhindert. Er habe seine Baumreihen im ersten Standjahr sechsmal hacken lassen, wodurch sich die Jungbäume sehr gut entwickelten. Bei ausgewachsenen Bäumen liege der Zielwert bei jährlich drei Durchgängen.
Gemäss Manuel Estermann habe die herbizidfreie Unterstockpflege noch weitere Vorteile: «Die beim Glyphosat-Einsatz vielfach zu beobachtende Wachstumsdepression bei Jungbäumen fällt weg, dazu erwärmen sich die gehackten Böden im Frühjahr schneller und präsentieren lebendiger.» Damit das Krümler-Gerät optimal arbeite, müsste aber der unterste halbe Meter des Stammes senkrecht sein. «Das macht beim Drapeau-System die Baumerziehung anspruchsvoll», so Estermann. Ab dem dritten Standjahr käme dann auch der Fadenmäher zum Einsatz. Bei bestehenden Anlagen empfiehlt er eine schrittweise Umstellung auf die herbizidfreie Unterstockpflege, da das Wurzelwerk ansonsten zu stark verletzt werde. Die Kosten pro Jahr und Hektare würden bei Fr. 1500.– bis Fr. 2000.– liegen. Dafür könne aber der Beitrag von Fr. 1000.– für den Herbizidverzicht in Spezialkulturen ausgelöst werden.