«Unsere Eier werden von den Kunden gerühmt; sie würden sich insbesondere geschmacklich von anderen Eiern abheben», erklärt Regula Kälin im Vorraum ihres Legehennenstalls. Die Eier vom Biohof Tanngarten in Willerzell SZ überzeugen geschmacklich sicher auch darum, weil die Hühner sie in einem besonderen Umfeld produzieren. Neben Futter in Bioqualität und grosszügiger Weide kommt das Federvieh fast täglich in den Genuss von urchigem Jodelgesang. «Während meiner Arbeit im Hühnerstall übe ich oft meine Liedtexte ein oder arbeite an meiner Jodelstimme, indem ich ein Naturjützli jodle», so Regula Kälin.

Das Jodeln im Spital wiederentdeckt

Seit vier Jahren ist die Willerzeller Bäuerin begeisterte Jodlerin und Mitglied im Jodlerklub Brunnen SZ. «Schon mein Urgrosi jodelte und auch meine Mutter sang mit uns Kindern oft Lieder wie ‹Dr Schacher Seppli›», erinnert sich die 49-Jährige zurück. Wiederentdeckt hat Regula Kälin ihre Leidenschaft für das Singen durch eine Arbeitskollegin im Spital Einsiedeln, die Handorgel spielte und jodelte. Als eine Teamkollegin heiratete, übten sie gemeinsam einige Lieder ein, später wurde auch bei Teamfeiern oder Geburtstagen oft gesungen und gejodelt.

Den Betrieb vergrössert

Bis vor drei Jahren arbeitete die gebürtige Schwyzerin in einem 80-Prozent-Pensum als Teamleiterin im Pflegebereich. Ihr Mann Ueli führte zu diesem Zeitpunkt den kleinen Biohof und war zusätzlich für einen grossen Teil der Hausarbeit zuständig. «Ich musste damals aber feststellen, dass die Arbeitssituation für mich immer weniger stimmte. Die Zeit für die persönliche Betreuung von kranken Menschen fehlte zunehmend, weil die administrativen Aufgaben anstiegen.»

Dazu hatte Regula Kälin in ihrem Team einen Fall von Burn-out, der sie tief erschütterte. Sie wollte etwas ändern, bevor die enorme Belastung auch bei ihr zu einer Überforderung führen würde. Diese unbefriedigende Situation war auch der Grund, dass sie einer möglichen Vergrösserung des Landwirtschaftsbetriebes sofort zustimmte, als Kälins ein Pachtbetrieb in der Nähe angeboten wurde.

Ungewohnte Situation 

Mit ihrer heutigen Situation ohne ausserbetrieblichen Nebenerwerb ist Regula Kälin glücklich. Sie hat mehr Zeit für Kreativität und natürlich auch für ihre beiden Kinder. Allerdings musste sie ihren Platz in der Familie erst wieder finden: «Ich war überrascht, welch eingespieltes Team mein Mann und die beiden Kinder waren.» Infolge des fixen Lohneinkommens sei die finanzielle Situation früher sicher komfortabler gewesen. Dafür habe sie heute mehr Familienzeit und eine bessere Lebensqualität.

Für den Betrieb wichtige Eierproduktion

Zusammen mit ihrem Mann Ueli hat sie den Biohof Tanngarten mittlerweile breit aufgestellt. Dank der Zupacht bewirtschaften sie heute 28 Hektaren Land und halten eine Mutterkuhherde mit rund 40 Stück Vieh. Ein wichtiges Nebeneinkommen kommt mittlerweile aus der kleinen Ferienwohnung, die sie vermieten. Ein bedeutender Betriebszweig ist auch die Eierproduktion mit den 2000 Legehennen. Dazu kommen weitere Tiere wie die sechs Alpakas, die sie hauptsächlich als Schutz der Hühner vor dem Fuchs halten. Auch zwei Pferde stehen im Stall. Ausritte macht Regula Kälin heute aber keine mehr. In ihrer Jugendzeit war das noch anders, da war sie so viel wie möglich auf dem Hof ihres Onkels, der mehrere Pferde besass. Regula Kälin wuchs selber mitten im Städtchen Schwyz auf. Der nächste Bauernhof war zwar gleich in der Nachbarschaft, dennoch war ihre Jugendzeit von einem nichtbäuerlichen Umfeld geprägt.

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Die blauen Augen von Ueli

Auch ihr Mann Ueli, den sie vor bald 30 Jahren kennenlernte, hatte selber keinen Betrieb. Seinen elterlichen Hof führte der Bruder weiter. «Ueli träumte aber immer davon, einmal das Heimetli Tanngarten von seinem Onkel übernehmen zu können», erinnert sich Regula Kälin zurück. Sie selber sei anfangs aber noch weniger euphorisch gewesen. «Als mir Ueli den Hof an einem trüben Tag erstmals gezeigt hat, haben mich die düstere Nebelstimmung und das ziemlich alte Eternithaus fast etwas erschreckt. Es waren dann aber wohl Uelis blaue Augen, die mich doch noch zu einem Umzug nach Willerzell überzeugen konnten», so Regula Kälin mit einem Schmunzeln. Mittlerweile ist der Bauernhof Tanngarten längst zu ihrer Heimat geworden. «Anstatt der Aussicht auf die beiden imposanten Mythen, die ich in meiner Jugendzeit in Schwyz hatte, kann ich heute das herrliche Panorama auf den Sihlsee geniessen.» [IMG 2]

Farbiger Biomarkt in Zug

Genossen hat Regula Kälin auch den diesjährigen Biomarkt «O sole Bio» in Zug, wo sie zum ersten Mal im OK mitarbeitete. «Die bunte Vielfalt an Besuchern und auch an Standbetreibern ist einmalig. Zudem erlebte ich an diesem Markt als Biobäuerin eine grosse Wertschätzung von den Konsumenten.» Regula Kälin vermarktet bisher noch kaum eigene Produkte direkt. Sie beabsichtigt aber, im nächsten Jahr Bettduvets aus der Wolle ihrer Alpakas zu verkaufen. Und wer weiss: Vielleicht gibt es bald auch Naturjützli-Natura-Beef vom Tanngarten-Hof zu kaufen.

5 Fragen
Was macht Sie schlaflos? Anfänglich, als unser Sohn in den Ausgang ging.
Wohin würden Sie gern einmal reisen? Ich habe aktuell keine wirklichen Reisepläne, würde aber gerne einmal z Alp gehen.
Worüber können Sie lachen? Über meine eigene Ungeschicktheit im Alltag.
Was möchten Sie sich abgewöhnen? Den Drang nach Perfektionismus in der Haushaltsführung.
Wie offen reden Sie über Ihre Finanzen? Über Finanzielles reden? Das macht der Schweizer nicht.